Interview von Maestro Helmuth Rilling
1.Guten Tag Herr Rilling. Sie sind dieses Jahr zum ersten Mal beim Beijing International Music Festival dabei und zugleich das erste mal überhaupt, dass sie in Peking auftreten. Warum nahmen Sie die Einladung an, hier ein Konzert zu geben?
Wir waren sehr Erfreut über die Nachricht von unserer chinesischen Konzertagentur, dass das Beijing International Music Festival sehr an einem Konzert von uns in 2011 interessiert sei. Wir fühlen uns sehr geehrt, eine Einladung zum wichtigsten Festival westlicher klassischer Musik in China bekommen zu haben.
2.Alle Stücke von Mahler werden dieses Jahr beim Beijing International Music Festival gespielt, und Ihr Konzert, „Mahler meets Bach“ wird ein ganz Besonderes dieses Reihe werden. Was denken sie über Ihren Auftritt? Was für eine Art von Konzert werden sie dem Pekinger Publikum bieten?
Ich glaube, dass wir tatsächlich ein großartiges Bach Programm für Peking zusammengestellt haben. Das Hauptwerk wird das berühmte „ Magnificat“ für Chor, Solisten und Orchester sein. Aber gemäß dem Leitthema des diesjährigen BMF haben wir auch Mahler in unser Programm mit aufgenommen- wenn auch auf besondere Art und Weise. Mahler macht aus verschiedenen Sätzen von Bachsuiten eine Sinfonie. Dabei hat er nicht viel verändert- er hat einfach der Partitur Bachs dynamische Anweisungen hinzugefügt. Die Zuhörer können also ein komplettes Bachprogramm mit seiner ganzen für ihn typischen Musik, sowohl instrumental als auch vokal, eingerahmt von einer sehr besonderen Bach/Mahler ausschließlich für Orchester.
3.Sie sind sozusagen Spezialist für Aufführungen von Bach, dieses Jahr lautet unser Thema aber Gustav Mahler, und Ihr Konzert trägt den Namen „ When Mahler meets Bach“. Wie erklären sie sich Kombination der beiden?
Was mich immer umgehauen hat, ist der Einfluss den Bach auf andere Komponisten in der ganzen Welt hatte und wie sie auf die Stilmittel die sie in seinen Werken fanden reagierten. Das ist auch einer der Gründe warum ich dich Bach Akademie in Stuttgart gegründet hab: Um Recherchen über Bachs Einfluss anzustellen und seine Werke mit denen späterer Jahrhunderte zu vergleichen.
Mahler´s Herangehensweise an Bach ist sehr außergewöhnlich: Als Musiker, der sich natürlich sehr gut auskannte, hatte er vor Bach´s Musik die größte Hochachtung. Und als Komponist und der Erfinder der Musiksprache der er wahr, hatte er das Gefühl er müsse die Stücke umschreiben und neu arrangieren um Zeitgemäß dem Geschmack der damaligen Musiker und Zuhörer zu entsprechen. Aber wie ich schon sagte, er hat nicht viel verändert. Seine neue Satzfolge und seine feinen Veränderung von Bachs Musik machen sie noch nicht zu einem Mahler Stück. Ich glaube auch das spiegelt seinen Respekt für Bach wieder.
4.Die meisten Ihrer Stücke sind von Bach, aber es gibt ein Bachstück, das von Mahler arrangiert wurde. Manche sind der Meinung dieses Stück Mahlers Erbe und Innovation von Bach wiedergibt. Was denken Sie über dieses Stück?
Diese Frage habe ich oben schon beantwortet.
5.Sie sind der einzige Dirigent, der bei diesem Musikfestival Bach und Mahler gleichzeitig dirigiert. Können sie uns die Unterschiede zwischen ihren Musikvorstellungen und Arbeiten erläutern?
Zu Zeiten Bachs, er lebte von 1685 bis 1750, fühlten sich die Komponisten in unseren westlichen Tonalität, mit ihren verschiedenen Tonarten und ihrer klaren musikalischen Struktur, absolut zu Hause. Musik wahr eine „göttliche Kunst“ und die Komponisten sahen ihre Stücke als Teil einer Art „ ewigen Schönheit“. Sie fanden das Tonsystem absolut passend für das was sie damit zeigen und ausdrücken wollten.
Das hat sich in der Epoche der Romantik, in Europa ca. im 19. Jahrhundert, mehr und mehr den drang verspürten ihre persönlichen Gefühle in der Musik auszudrücken. Sie fingen an nicht nur die Lage des Tones im Notensystem festzulegen, sondern auch Tonfarbe, Dynamik und Artikulation. Beethoven steht für den Anfang dieser Entwicklung, Mahler am Ende. Mahler hat eine sehr individuelle Sicht auf „seine“ Welt- und erschafft sich seine eigene musikalische Welt.
6. Was halten Sie von Peking während Ihres ersten Auftritts hier?
Haben Sie irgend eine Idee von der Qualität der Aufführung und dem Markt Klassischer
Musik in Peking?
Mit all unseren Aktivitäten der Bach Akademie Stuttgart denke ich haben wir einen „ internationalen Horizont“. Wir laden regelmäßig Musiker aus der ganzen Welt ein mit uns ,entweder beim Musikfest Stuttgart oder während der normalen Saison, aufzutreten. Außerdem richten wir Meisterklassen und Ausbildungsaktivitäten aus, wie zum Beispiel unser international Bach- Ensemble für junge Musiker und Sänger.
Während all dieser Aktivitäten lernen wir immer mehr talentierte Kinder aus China kennen.
Mit großer Freude und Zustimmung verstehen wir, dass westliche klassische Musik eine Hauptrolle bei der Musikausbildung der Chinesen spielt und dass das Niveau sehr hoch ist.
7.Haben Sie irgendwelche Erwartungen an das Pekinger Publikum?
Ich hoffe, dass sie einfach zuhören und die Schönheit der Musik verstehen die wir ihnen nahebringen wollen. Obwohl Bach´s Musik schon ca. 300 Jahre alt ist, ist sie immer noch ein wichtiger Kern der westlichen Kultur. Deshalb wird es für die Zuhörer nicht nur ein Genuss, sondern auch ein weiteres Fenster zu unserer Kultur.
8.Erzählen Sie uns zum Abschluss bitte noch etwas über Ihre Zusammenarbeit und auch Ihre Freundschaft zu Herrn Tan Dun.
Im Jahr 2000 führte die Bach Akademie erstmals Tan Dun´s „Water Passion“ auf. Wir gaben dieses Werk in Auftrag, um den Beginn eines neuen Jahrtausend zu feiern und den Todestag Bach´s 1750. Es sollte eine Art Verbindung zwischen dem Gestern und dem Heute, sowie zwischen dem Westen und dem Osten herstellen.
Seither verbindet uns eine innige Freundschaft. Nicht nur in unserer persönlichen Freundschaft sondern auch bei seinen vielen Aufführungen beweist Tan Dun, dass er ein wundervoller Mensch ist, was man auch in seiner Kunst und seinen Ideen für das Verständnis und die Zusammenarbeit zwischen zwei verschiedenen Kontinenten und Kulturen sieht. Wir haben Tan Dun zu unserem Musikfest in Stuttgart als Gastkünstler eingeladen (27.8-18.9.2011) und hoffen auch in Zukunft die Möglichkeit zu haben mit ihm und China zusammenzuarbeiten.